In zunehmend volatilen Umwelt- und Klimabedingungen stehen Unternehmen vor der Herausforderung, physische Klimarisiken – also akute Ereignisse wie Hochwasser oder langfristige Veränderungen wie Trockenheit und Wasserstress – systematisch zu identifizieren und zu steuern. Für Organisationen mit eigenen Standorten und weitverzweigten Wertschöpfungsketten wird dies zu einer strategischen Aufgabe: Die Bewertung von Exposition, Vulnerabilität und daraus resultierenden Risiken wird zur Grundlage eines zukunftsfähigen Risikomanagements.
Die Dimension der Herausforderung
Laut einer Analyse von S&P Global Sustainable1 könnte der jährliche finanzielle Schaden für die weltweit größten Unternehmen aufgrund physischer Klimarisiken bis in die 2050er Jahre auf USD 1,2 Trillionen wachsen — vorausgesetzt, es erfolgt keine Anpassung. Auch die European Central Bank (ECB) stellt fest, dass physische Risikoindikatoren (z. B. Überschwemmungen, Dürre, Waldbrände) zunehmend im Zentrum der Finanz- und Unternehmensanalyse stehen. Darüber hinaus zeigt eine Studie: Nur rund 30 % globaler Unternehmen bewerten bislang umfassend ihre physischen Klimarisiken und insbesondere die Risiken entlang der Lieferkette bleiben vielfach unberücksichtigt.
Diese Zahlen unterstreichen: Physische Klimarisiken sind weit entfernt von einem abstrakten Thema sie sind bereits heute relevant für das operative Geschäft, für Finanzierungen und für die Wertschöpfungskette.
Regulatorische Anforderungen und Standardisierung
Parallel zur materiellen Relevanz steigen die regulatorischen Anforderungen:
- Die EU Taxonomy Regulation verlangt für das Umweltziel „Anpassung an den Klimawandel“ explizit die Durchführung einer Klimarisiko- und Vulnerabilitätsanalyse (KRA) als Teil des „do no significant harm“-Tests.
- Durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) bzw. die zukünftigen European Sustainability Reporting Standards (ESRS) wird die Berichterstattung über Klimarisiken entlang der Wertschöpfungskette zur Pflicht.
- Ein aktueller Leitfaden der österreichischen Klimafonds zeigt, wie eine fundierte Analyse von Gefährdung, Exposition und Vulnerabilität aufgebaut werden kann.
Für Unternehmen heißt das: Wer heute keine physische Klimarisikoanalyse etabliert, riskiert nicht nur regulatorische Nachteile, sondern auch operationelle und finanzielle Überraschungen.
Ablauf einer physisch klimatischen Risikoanalyse – bewährter Methodikansatz
Ausgehend von geprüften Vorgehensweisen lässt sich der Analyseprozess in drei wesentliche Schritte gliedern:
- Festlegung der Analysegrenzen: Zunächst ist zu definieren, welche Standorte, Geschäftsbereiche oder Wertschöpfungsstufen betrachtet werden. Es gilt zu klären: Welche Assets oder Lieferkettenbestandteile haben eine relevante Lebensdauer oder strategische Bedeutung?
- Identifikation potenzieller Klimagefahren & Exposition/Vulnerabilität: In diesem Schritt wird systematisch geprüft: Ist der Standort bzw. die Wertschöpfungsstufe überhaupt einer Klimagefährdung ausgesetzt (Exposition)? Wie groß ist die Verwundbarkeit (Vulnerabilität) aufgrund baulicher, technischer oder organisatorischer Gegebenheiten? Dadurch lassen sich theoretisch zahlreiche Gefahren auf jene wenigen Risiken reduzieren, die tatsächlich relevant sind.
- Bewertung physischer Klimarisiken: Die identifizierten Risiken werden hinsichtlich – Eintrittswahrscheinlichkeit x Auswirkung auf Geschäftsprozesse bewertet. Welche Produktions- oder Lieferunterbrechung droht? Welche finanziellen Folgeschäden? Welche Auswirkungen entlang der Kette?
Erst durch diese Systematik kann das Top-Management fundierte Entscheidungen treffen — etwa zur Investition in Anpassungsmaßnahmen, zur Absicherung oder zur Neuausrichtung von Prozessen.
Best-Practice: Altstoff Recycling Austria AG (ARA) – Klimarisikoanalyse als Steuerungsinstrument
Die Altstoff Recycling Austria AG hat exemplarisch gezeigt, wie eine systematische physische Klimarisikoanalyse umgesetzt werden kann:
- Projektziel: Für die gesamte Unternehmensgruppe wurden physische Klimarisiken systematisch identifiziert, um relevante Risiken sichtbar zu machen und gezielt Maßnahmen zur Risikominimierung abzuleiten.
- Vorgehensweise:
- Analysegrenzen gesetzt (eigene Standorte + Wertschöpfungsketten).
- Klimagefahren identifiziert (z. B. Hochwasser) und Exposition/Vulnerabilität pro Standort sowie Wertschöpfungsstufe bewertet.
- Die Risiken wurden im Kontext der betrieblichen Abläufe bewertet und Eintrittswahrscheinlichkeiten sowie potenzielle Auswirkungen ermittelt.
- Ergebnis: Das Management verfügt über einen klaren Überblick über physische Risiken – und kann damit gezielt Resilienzmaßnahmen steuern. Betriebsunterbrechungen in der Wertschöpfungskette sowie wirtschaftliche Folgeschäden können vorausschauend vermieden werden.
Dieses Beispiel zeigt, wie eine solche Analyse nicht nur als Berichtspflicht dient, sondern als operatives Steuerungsinstrument zur Sicherung künftiger Wettbewerbs- und Geschäftsfähigkeit.
Die zunehmende Materialisierung physischer Klimarisiken – gekoppelt mit strengeren regulatorischen Rahmenbedingungen – macht die systematische Analyse dieser Risiken zu einem integralen Bestandteil unternehmerischer Steuerung. Unternehmen mit Eigenerichtung, stationären Standorten oder komplexen Lieferketten sollten dies nicht als optionales Projekt betrachten, sondern als eine strategische Notwendigkeit. Das Beispiel der ARA zeigt eindrucksvoll, wie eine strukturierte Vorgehensweise greifbare Ergebnisse liefert und resilientes Handeln ermöglicht. Wer heute in diese Analyse investiert, sichert nicht nur Compliance, sondern schafft Wettbewerbsvorteile im Kontext der klimabedingten Transformation.
Mehr zu diesem Thema:
Quellen:
S&P Global Sustainable1 (2024)
“CERAWeek: Physical Climate Risk — How Big Is the Threat?”
https://www.spglobal.com/sustainable1/en/insights/special-editorial/ceraweek-physical-riskEuropean Central Bank (ECB, 2024)
“Climate-related physical risk indicators.”
https://www.ecb.europa.eu/stats/all-key-statistics/horizontal-indicators/sustainability-indicators/data/html/ecb.climate_indicators_physical_risks.en.htmlClarity AI (2024)
“Only 30% of global companies adequately assess physical climate risks.”
https://clarity.ai/in-the-news/study-only-30-of-global-companies-adequately-assess-physical-climate-risks/Jupiter Intelligence (2024)
“The EU Taxonomy and Physical Climate Risk.”
https://www.jupiterintel.com/blog/the-eu-taxonomy-and-physical-climate-riskTanso (2024)
“Klimarisikoanalyse und EU-Taxonomie verstehen.”
https://www.tanso.de/blog/klimarisikoanalyse-und-eu-taxonomie-verstehenKlima- und Energiefonds Österreich (2024)
“KlimTAX-Leitfaden: Klimarisikoanalyse im Kontext der EU-Taxonomie.”
https://www.klimafonds.gv.at/wp-content/uploads/2024/09/KlimTAX-Leitfaden-1.pdfScienceDirect (2025)
“Physical climate risk and supply chain resilience.”
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1544612325011614/pdf